Text/Fotos: Andreas Burkert
Der Pordoi Pass ist nur eine von vier Herausforderungen der Sellaronda Bike Days. Wer ihn überwinden will, muss von Arabba aus 36 Mal die Richtung wechseln. Dafür lassen sich Dolomiten aus verschiedenen Perspektiven genießen. Und wer dann mit dem Gravelbike die Tour abfährt, kann auch mal abseits der Straßen die Landschaft erkunden.
Den Monte Sella muss man in seinem Leben von allen Seiten erkundet haben. Vom Osten her, dort wo er sich während der ersten Sonnenstrahlen noch verschlafen zeigt, in der Abendsonne hingegen aber
so wirkt, als wäre das Gestein mächtiger als das Matterhorn. Wer diesen Berg also mit dem Fahrrad bezwingen möchte, der weiß, wie dieses „mächtig“ auf Körper und Geist wirken kann. Und dennoch
sind übers Jahr hinweg unzählige Radsportbegeisterte unterwegs, um das Pordoijoch zu bezwingen. Und es kommt noch besser.
An ausgewählten Tagen im Sommer radeln tausende Fahrradbegeisterte dort in den Bergen herum. Beispielsweise am Volksradltag, dem Sellaronda Bike Day, der in diesem Jahr Mitte September stattfand
und an dem auch wir auf Einladung teilnahmen. Das Basislager haben wir im Übrigen in Arabba aufgeschlagen, im Bike-Hotel Evaldo, am Stadtrand der kleinen Ortschaft und nur wenige Minuten vom
Zentrum entfernt. Gebaut auf den Ruinen einer alten Mühle, bieten die Zimmer einen herrlichen Blick auf das Sellamassiv. Am Abend lässt sich dieses vom Balkon aus in allen Farben des
Sonnenuntergangs betrachten. Wird wohl anstrengend.
MANCHE STEIGUNGEN RAUBEN DEN ATEM
Der Morgen beginnt mit einem Frühstück vom Buffet, welches alles bietet, um selbst als Rennradanfänger die Strapazen des Tags zu überstehen. Dann kurze Lagebesprechung und Check der Ausrüstung
und der Räder, die in der hoteleigenen Großgarage sicher untergebracht sind. Gestärkt geht es am Morgen des Tages, vor dem offiziellen Sellaronda Bike Day-Event, zum Einfahren der Räder. Das
Radln beginnt entspannt, die leicht abfallenden Straßen beschleunigen, um mit genügend Tempo die folgenden kurzen Anstiege zu meistern. Nur manchmal sind diese doch mehrere Kilometer lang. Dann
beginnt das Schnaufen.
Dafür entschädigt der Ausblick, der entlang der Route seinen ersten Höhepunkt am See von Misurina findet. Auf knapp 1756 Metern gelegen, scheinen nun die Felsmassiven der Drei Zinnen, des Monte
Piana wie auch der Cadini-Gruppe zum Greifen noch näher. Dieser Ort also, im Südwesten von Cortina d’Ampezzo gelegen, bietet damit nach Stunden des Radfahrens die erste Gelegenheit einer
ausgiebigen Verschnaufpause. Praktisch, dass sich an der Südseite des Sees das Kurheim Institut Pio XII2 befindet, ein italienisches Exzellenzzentrum für Diagnose, Höhenkur und Rehabilitation
pädiatrischer Atemwegserkrankungen. Eine kurze Erholung tut gut.
HINAUF ZUR AURONZOHÜTTE QUÄLEN
Dann werden die Räder erneut gesattelt, um die letzte Etappe an diesem Tag im Spätsommer zu bewältigen. Es sind ja nur noch absehbare Höhenmeter, um über gut ausgebaute Serpentinen bis auf 2320
Meter zu radeln. Wäre da nicht der erste Anstieg, der auf mehreren hundert Metern Strapazen verursacht, die dann wenig später zur Tortur werden. Nämlich dann, wenn der echte Aufstieg beginnt und
erst nach einigen Kilometern endet. Dann aber ebnet sich die Straße und der Aufstieg wird erträglicher. Sogar mit unseren Rennrädern ohne elektrische Antriebsunterstützung.
Die letzte Kraftanstrengung bis zur Auronzohütte wird nun aber mit einer herrlichen Aussicht belohnt. Denn die Hütte, die vom CAI Alpeinverein Auronzo geleitet wird, befindet sich am südlichen
Fuß der Drei Zinnen, die als Symbol des UNESCO Weltnaturerbes der Dolomiten, weltbekannt sind. Dass der Speisesaal Platz für 130 Gäste bietet, zeigt, wie begehrt der Ort ist. An dieser Stelle sei
darauf hingewiesen, dass die letzten Meter Radlabendteuer auch deshalb herausfordernd sind, weil immer wieder Touristen die Geradeausfahrt verhindern.
DIE BERÜHMTE SELLARONDA
Gegen Mittag geht die Fahrt zurück, in hoher Geschwindigkeit den Berg hinunter, bis die ersten Steigungen wieder die Energiereserven herausfordern. Doch in Arabba kommen die meisten entspannt an.
So bleibt Zeit, sich im Spa des Hotels zu erholen. Denn bereits am nächsten Morgen geht’s zur offiziellen Rennleitung der Sellaronda. Dann beginnt die Tour mit ihren zu bewältigenden Bergpässen
Grödner Joch, Sella Joch, Pordoi Pass und Camplongo Pass. Damit die in diesem Jahr zigtausenden LiebhaberInnen des Fahrrads wohlbehalten alles radeln können, wurden am Samstag, von 08.30 bis
15.30 Uhr, alle Straßen für motorisierte Fahrzeuge gesperrt.
Damit sind die etwa 53 Kilometer, die für die vier Pässe zusammenkommen, eigentlich ein großes Vergnügen. Wären da nicht die mindestens 1637 Höhenmeter. Wer nicht in Arabba oder Corvara startet, sondern in Wolkenstein oder Canazei, der muss knapp 2000 Meter bewältigen. An diesem Samstag im September aber, haben auch zahlreiche Familien mit Kindern die 36 Wendungen des Pordoi erfolgreich und scheinbar müheloser als ich befahren. Damit verdienen die Sellaronda Bike Days auch das Prädikat familienfreundlich.
VOLKSRADTAG
Am Samstag, den 11. Juni und Samstag, 17. September 2022 werden von 08:30 bis 15:30 Uhr die vier Dolomitenpässe (Sella- und Grödnerjoch, sowie Pordoi- und Campolongopass) rund um den Sella
ausschließlich für Liebhaber des Fahrrads reserviert sein. Der Volksradltag Sellaronda geht 2022 in die 16. Runde. Jeweils von 8:30 bis 15:30 Uhr sind die Dolomitenpässe für motorisierte
Fahrzeuge gesperrt. Damit wird es allen Radbegeisterten ermöglicht, die Sellagruppe ganz ohne Abgase und Motorenlärm zu umrunden.
Kommentar schreiben